Dissertation
Soziale Ungleichheiten und Chancen des Sports
Dr.-phil. Patrik Götting (Promotionsvortrag: 2015):
Die vorliegende Dissertation „Soziale Ungleichheiten und Chancen des Sports“ behandelt die Herausforderung, dass speziell Kinder und Jugendliche, die von sozialen Ungleichheiten betroffen sind, am geringsten in Sportvereinen partizipieren. Vor diesem Hintergrund wird aufgezeigt, wie Sportvereine speziell diese Kinder und Jugendlichen erreichen können, damit diese vom Sport profitieren und dabei „soft-skills“ ausbilden, die auch im Schul- und Arbeitsleben von großer Bedeutung sind. Dazu wurde das Projekt „Soziale Chancen des Sports“ und die Budosportart „Taiwan-Do“ analysiert, die verschiedene Strategien verfolgen, um die genannten Ziele zu erreichen. Die Studie zielt darauf herauszufinden, wie die Organisation des Sportvereins vor allem in den Teilen der Gesellschaft bekannter werden kann, in denen die meisten Kinder und Jugendlichen groß werden und so auch als Organisation zukunftsfähig bleiben kann. Dies bewirkt, dass die positiven Effekte des Sports insbesondere die erreicht, die diese am meisten benötigen, integriert diese verstärkt und unterstützt deren Zukunftschancen, u.a. durch die Ausbildung von „soft-skills“. Alles in allem helfen die im Projekt und in der Budosportart identifizierten Maßnahmen dabei, dass Sportvereine eine zukunftsfähige organisatorische Struktur entwickeln und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche besser gesellschaftlich integriert werden.
Veröffentlicht über DuEPublico (Duisburg-Essen Publications online)
Pädagogiches Konzept
Kinderhilfezentrum Krefeld – Herr Lehmann
Kampfkunst (hier aus dem Bereich Kung Fu Wu Shu) und Gesundheitslehre (hier aus dem Bereich Tai Chi Chuan)
Ansprache zum Projektjubiläum (1988), von Hans-Joachim Sonnenburg (Dipl.-Sozialpädagoge):
Auf dem Programmzettel steht: Das Projekt und seine päd(agogische) Relevanz. Vielleicht mal zunächst ein Satz, warum ich das so geschrieben hab‘; Pädagogik heißt ja die Führung des Kindes. Hier sind aber nicht nur Kinder; Hier sind auch Jugendliche, hier sind Erwachsene und hier sind auch Senioren. Ja. Und es gibt einen Niederländer, der heißt Marinus van Beugen, der hat den Begriff der Agogik geprägt. Und damit ist eigentlich das Leiten von Menschen, egal jeden Alters, gemeint. Und wenn ich in Zukunft von Agogik spreche, ist genau das gemeint; Also nicht nur das Anleiten von Kindern, sondern der Umgang mit Menschen jeden Alters, nur zum Verständnis vorweg.
Ja – verehrte Gäste, liebe Sportkameraden, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Ende des Vorführungsteils möchte ich eigentlich noch 3 Fragen nachgehen:
Die erste ist, “Was soll das Ganze denn nun überhaupt?“ Die zweite ist, “Was haben Kung Fu und Tai Chi im Kinderheim verloren?“ und Punkt drei, “Was erscheint uns eigentlich so wichtig daran, dass wir dieses Projekt einer breiten Öffentlichkeit vorstellen wollen?“
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Zum ersten Punkt, “Was soll denn nun das Ganze überhaupt?“
Unser Amtsleiter hat vorhin das Tao Te King zu Rate gezogen – ich mach‘s mal ähnlich. Es gibt ein altes chinesisches Sprichwort, das heißt, es ist besser eine Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Ich meine, zu beklagen gab es Vieles in den letzten 5 Jahren. Es ist sicher für niemanden in dieser Zeit einfacher geworden, zu leben und zu arbeiten – auch in dieser Stadt und auch in dieser sozialen Einrichtung nicht.
Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – hat ein Funke gezündet, der die Dinge auch in einem anderen Licht erscheinen lässt. Es ist uns – den am Projekt beteiligten Menschen – nämlich klar geworden, dass wir – wenn wir etwas verändern wollen – zunächst bei uns selbst beginnen müssen und uns zusammentun können mit Gleichbetroffenen.
Wir sind aktiv geworden und wir haben uns beim Training oft völlig verausgabt. Doch die Energie, die fließt, ist nicht verloren. Die Chinesen nennen sie LEBENDIGKEIT.
Wie zu sehen war, sind wir alle keine spezialisierten Hochleistungssportler. Doch ich hoffe, dass etwas von der Lebendigkeit und Kraft des Projektes bei jedem einzelnen Akteur zu sehen, zu hören und auch zu spüren war, die uns “dabeibleiben“ ließ, auch wenn es mal um den einen oder auch mal um den anderen wieder dunkler geworden ist in den 5 Jahren.
Zur zweiten Frage, “Was haben Kung Fu und Tai Chi im Kinderheim verloren?“
Nun, als es vor 5 Jahren mit dem Selbstverteidigungskurs für die Mädchen losging, war das sicher ein “Exotisches“ Angebot in der Sportlandschaft des Heimes. Inzwischen haben die Taiwan Do Kurse einen festen Platz eingenommen, im Kindergarten, bei den Jugendlichen, bei den Erwachsenen, auch bei den Senioren.
Offenbar werden über diese Angebote bestimmte Bedürfnisse befriedigt. Ich hab mal in der Psychologie nachgeguckt; Es gibt da den Abraham Maslow – der hat sich da etwas ausführlicher ausgelassen drüber. Der unterscheidet zum Beispiel primäre Bedürfnisse, das sind Bedürfnisse zu atmen, zu essen, zu trinken, usw.. Bedürfnisse nach Sicherheit, das ist glaube ich klar. Bedürfnisse nach sozialem Kontakt, er nennt Bedürfnisse nach Selbstachtung, und er nennt Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung. (*siehe Anlage letzte Seite).
Ich will das jetzt nicht im einzelnen näher aufführen, das würde zu weit gehen, aber ich denke, man muss einfach mal daran erinnern, dass eigentlich alle Agogik bei den Bedürfnissen des Menschen anzusetzen hat.
Aber gute Pädagogik allein befriedigt nicht nur Bedürfnisse. Sie muss auch lehren, wie man adäquat mit ihnen umgeht, wenn diese nicht unmittelbar zu erfüllen sind. Früher hat man gesagt, man muss den Menschen auch etwas anmuten – nicht zumuten, das ist etwas anderes. Das besondere Merkmal eines Heimes ist es, das es sich als pädagogische Einrichtung versteht. Es ist ein besonderes Merkmal, dass das Heim Kinder in die Organisation aufnimmt und vollständig oder zumindest einen großen Anteil der Sozialisation und Erziehungsaufgaben übernehmen muss. Darin liegt eine spezifische Chance, nämlich möglichst ganzheitlich dem Menschen Entwicklungsbedingungen zu geben – aber da liegt auch eine besondere Gefahr drin, nämlich als totale Institution zu entgleisen. Das heißt, im Heim müssen eigentlich die Bedürfnisse aller Beteiligten zum Teil erfüllt, zum Teil kanalisiert, oder aber auch sublimiert und auch manchmal völlig frustriert werden.
Sowohl das einzelne Kind, der einzelne Mitarbeiter (egal in welcher Funktion) als auch das gesamte soziale System “Heim“ Auf dem Programmzettel steht: Das Projekt und seine päd(agogische) Relevanz. Vielleicht mal zunächst ein Satz, warum ich das so geschrieben hab‘; Pädagogik heißt ja die Führung des Kindes. Hier sind aber nicht nur Kinder; Hier sind auch Jugendliche, hier sind Erwachsene und hier sind auch Senioren. Ja. Und es gibt einen Niederländer, der heißt Marinus van Beugen, der hat den Begriff der Agogik geprägt. Und damit ist eigentlich das Leiten von Menschen, egal jeden Alters, gemeint. Und wenn ich in Zukunft von Agogik spreche, ist genau das gemeint; Also nicht nur das Anleiten von Kindern, sondern der Umgang mit Menschen jeden Alters, nur zum Verständnis vorweg.
Ja – verehrte Gäste, liebe Sportkameraden, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Ende des Vorführungsteils möchte ich eigentlich noch 3 Fragen nachgehen:
Die erste ist, “Was soll das Ganze denn nun überhaupt?“ Die zweite ist, “Was haben Kung Fu und Tai Chi im Kinderheim verloren?“ und Punkt drei, “Was erscheint uns eigentlich so wichtig daran, dass wir dieses Projekt einer breiten Öffentlichkeit vorstellen wollen?“
Zum ersten Punkt, “Was soll denn nun das Ganze überhaupt?“
Unser Amtsleiter hat vorhin das Tao Te King zu Rate gezogen – ich mach‘s mal ähnlich. Es gibt ein altes chinesisches Sprichwort, das heißt, es ist besser eine Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Ich meine, zu beklagen gab es Vieles in den letzten 5 Jahren. Es ist sicher für niemanden in dieser Zeit einfacher geworden, zu leben und zu arbeiten – auch in dieser Stadt und auch in dieser sozialen Einrichtung nicht.
Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – hat ein Funke gezündet, der die Dinge auch in einem anderen Licht erscheinen lässt. Es ist uns – den am Projekt beteiligten Menschen – nämlich klar geworden, dass wir – wenn wir etwas verändern wollen – zunächst bei uns selbst beginnen müssen und uns zusammentun können mit Gleichbetroffenen.
Wir sind aktiv geworden und wir haben uns beim Training oft völlig verausgabt. Doch die Energie, die fließt, ist nicht verloren. Die Chinesen nennen sie LEBENDIGKEIT.
Wie zu sehen war, sind wir alle keine spezialisierten Hochleistungssportler. Doch ich hoffe, dass etwas von der Lebendigkeit und Kraft des Projektes bei jedem einzelnen Akteur zu sehen, zu hören und auch zu spüren war, die uns “dabeibleiben“ ließ, auch wenn es mal um den
einen oder auch mal um den anderen wieder dunkler geworden ist in den 5 Jahren.
Zur zweiten Frage, “Was haben Kung Fu und Tai Chi im Kinderheim verloren?“
Nun, als es vor 5 Jahren mit dem Selbstverteidigungskurs für die Mädchen losging, war das sicher ein “Exotisches“ Angebot in der Sportlandschaft des Heimes. Inzwischen haben die Taiwan Do Kurse einen festen Platz eingenommen, im Kindergarten, bei den Jugendlichen, bei den Erwachsenen, auch bei den Senioren.
Offenbar werden über diese Angebote bestimmte Bedürfnisse befriedigt. Ich hab mal in der Psychologie nachgeguckt; Es gibt da den Abraham Maslow – der hat sich da etwas ausführlicher ausgelassen drüber. Der unterscheidet zum Beispiel primäre Bedürfnisse, das sind Bedürfnisse zu atmen, zu essen, zu trinken, usw.. Bedürfnisse nach Sicherheit, das ist glaube ich klar. Bedürfnisse nach sozialem Kontakt, er nennt Bedürfnisse nach Selbstachtung, und er nennt Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung. (*siehe Anlage letzte Seite).
Ich will das jetzt nicht im einzelnen näher aufführen, das würde zu weit gehen, aber ich denke, man muss einfach mal daran erinnern, dass eigentlich alle Agogik bei den Bedürfnissen des Menschen anzusetzen hat.
Aber gute Pädagogik allein befriedigt nicht nur Bedürfnisse. Sie muss auch lehren, wie man adäquat mit ihnen umgeht, wenn ist in einem ständigen labilen Fließgleichgewicht, das unaufhörlich ausbalanciert werden muss. Störungen sind unvermeidlich, Interessenkonflikte normal, die Aufgabenerfüllung erscheint manchmal schier unmöglich, die Belastungen oft erdrückend.
Ja, was macht man mit der Situation und wie sieht man den Menschen an, dem man da begegnet?
Die Anthropologen bieten 2 Modelle auf:
“Einmal sagen sie, der Mensch ist das biologische Mängelwesen, das sich ohne lnstinktsteuerung sehr unsicher bzw. verunsichert zurechtfinden muss“, aber sie sagen auch “Der Mensch ist das unspezialisierte lernfähige Wesen, das besondere Gestaltungsmöglichkeiten hat“.
Ich denke beide Aspekte müssen in der Erziehung oder auch im agogischen Umgang, bei der Selbsterziehung eines Mitarbeiters oder auch bei der Organisationsentwicklung bedacht sein.
Beide Prinzipien muss man wieder finden können, wenn es um die Individualität geht, die Soziabilität, die Weltoffenheit und auch der Offenheit einer “Über-Welt“ gegenüber. Das gerät manchmal bei uns etwas ins Hintertreffen, kirchliche Einrichtungen treten da etwas offensiver auf, nämlich mit dem Anspruch des jungen Menschen auf religiöse Erziehung. Wir sind nicht konfessionell gebunden, aber ich denke auch hier im Hause sollte man die Begegnung mit einer so genannten transzendentalen Welt ermöglichen.
Kung Fu Wu Shu als die Kunst des “Machens“ und Tai Chi Chuan als die Kunst des “Lassens“ begreifen den Menschen in dieser erwähnten “Doppelnatur“ und darüber hinaus als fließende raumzeitliche Existenz, in der alle polaren Kräfte wirksam werden – die Chinesen sagen dazu Yin-Yang-Prinzip.
Das Training weckt Bedürfnisse auf jeder Ebene, macht diese bewusst und hilft, Wege zu ihrer Befriedigung zu finden. Es fördert den einzelnen bei seiner ldentitätsfindung, steigert seine Kontakt- und Distanzierungsfähigkeit sowohl in der dialogischen, als auch in der Gruppeninteraktion und befähigt ihn dazu, gemeinsame Aufgaben anzupacken – gemeinsam mit anderen. Aber es bringt ihn auch in Kontakt mit dem Wissen um die Endlichkeit in dieser Welt. Ich versuchs mal praktisch auszudrücken:
Durch hartes Training lernt der Übende im Kung Fu sich anzustrengen, sich selbst zu besiegen. nicht “leicht-fertig“ oder “nicht leichtfertig“ zu sein. Er lernt aber auch, wann er “über – heblich“ ist oder “selbst – zerstörerisch“. Es gibt so ein Bonmot, das sagt: Wer nicht mehr selbst zu sich kommt, gerät leicht außer sich. Ich denke in der Gefahr stehen wir alle. Trotzdem verrennt der Übende sich nicht in autistische Einsamkeit im Kampf gegen sich selber, wie das heute im Hochleistungssport oft der Fall ist, wo man nur noch gegen sich selber kämpft und alle Konkurrenz weit hinter sich gelassen hat, sondern er kämpft mit dem Partner.
Manchmal auch gegen einen Gegner, aber meistens mit dem Partner. Natürlich sucht er auch den Wettbewerb, das ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, er sucht den Vergleich mit dem anderen neben ihm, aber nicht in der Form der erbarmungslosen Konkurrenz um jeden Preis oder um den Preis der Verletzung.
Vor dem Egoismus zu zweit bzw. in der Gruppe, der abgekapselten Exklusivseligkeit bewahrt die “Öffentlichkeit“ und die Offenheit gegenüber Kritik. Auch die Veranstaltung heute soll etwas sein, was genau dieser Gefahr entgegen wirkt.
Ja und jede Verletzung bringt der Zeit oder auf Dauer zu Bewusstsein, wie wenig der Körper auf Ewigkeit ausgelegt ist. Wenn der Fuß kaputt ist, merkt man schnell, wie viel von seiner Beweglichkeit und auch existenziellen Sicherheit verloren geht dabei.
Durch geduldiges Üben lernt der Trainierende im Tai Chi seine “Verspannungen“ zu lösen, seine Gedanken und Befindlichkeiten ohne Aufgeregtsein, wie die Wolken vorüberziehen zu lassen, sowie voll konzentriert, hellwach in seiner Umwelt zu sein. Das ist manchmal im Straßenverkehr wichtig, aber manchmal auch bei Konferenzen. Er erfährt viel über sein inneres Gleichgewicht, aber auch, ob er es im Partnertraining halten kann. Er lernt, sich in der Bewegung selbst zu vergessen und sich “tragen“ zu lassen. Tai Chi ist neben dem Kung Fu der andere Weg zu Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit und auch zur Selbstbehauptung. Alfred Adler hat mal gesagt: “Der Mensch fängt bei seinen Startbedingungen schlecht an. “Er hat den Begriff der Kompensation gewählt, womit deutlich wird, dass man etwas ausgleichen kann. Er hat aber auch von “Überkompensation“ gesprochen, dass man um jeden Preis etwas ausgleichen will, was dann sehr leicht krankhaft wird. Das ist nicht gemeint mit Selbstbehauptung, sondern mit Selbstbehauptung ist hier gemeint, dass jeder einen Platz einnehmen kann, eine Position einnehmen kann, einen Raum ausfüllen kann – wie man es hier gesehen hat- ohne überheblich zu sein oder sich zu gering zu schätzen.
Damit sind eigentlich alle Gütekriterien für ein vollwertiges pädagogisches oder agogisches Medium erfüllt und Taiwan Do, als Kombination von Kung Fu und Tai Chi hat meiner Meinung nach ein Recht auf einen Platz im Kinderheim oder einer anderen sozialen Institution.
Nur auf einen Platz. Ich denke wir haben viele Kollegen, die andere Sportarten machen hier im Haus. Und ich denke jede Sportart und jedes Engagement hat seinen Platz – aber ich denke, es ist ein Weg mit Menschen gemeinsam etwas zu machen.
Ja, nun noch kurz zur letzten dritten Frage: “Was erscheint uns so wichtig daran, dass wir dieses Projekt einer breiten Öffentlichkeit vorstellen?“
Neben der Tai Chi Chuan Gruppe im Kindergarten, den beiden Gruppen für Kinder und Jugendliche aus dem Wohngruppen- und Tagesgruppenbereich, sowie den beiden Gruppen für Pädagogen sind weitere Tai Chi Chuan-Gruppen in Düsseldorfer Altentagesstätten entstanden, die sie gesehen haben.
Außerdem haben die Pädagogen hier im Hause einen Verein gegründet, der die Pflege von Tai Chi Chuan zum Ziele hat und jedermann zugänglich ist. Diese Gruppe trainiert montags von 18.00 bis 19.00 Uhr hier im Kinderhilfezentrum.
Gleichgesinnte und Sportkameraden haben daneben im Rheinland weitere Vereine und dazu ergänzend einen Landesverband gegründet. Alle diese Vereine und der Landesverband sind wiederum Mitglied im Landessportbund. Viele der am Gesamtprojekt beteiligten Menschen sind heute hier zu Gast. Ich denke, es ist schön für diese Stadt, wenn von einem kommunalen Kinderheim Impulse ausgehen, die 4 Generationen zusammenbringt und landesweite Resonanz erfolgen lässt. Darüber hinaus siedeln sich immer mehr fernöstliche Firmen hier an in Düsseldorf – nach den Japanern, haben auch die Taiwanesen und auch die Rotchinesen ihre Handelsvertretungen hier angesiedelt. Ich hatte die Taiwanesen eingeladen. Ich bedauere, dass sie nicht gekommen sind. Ich denke, es wäre deutlich geworden, dass in dieser Stadt auch fernöstliche Kultur ihren Platz hat und bereits praktiziert wird.
Dass es soweit kommen konnte, wie es heute war, dass wir so einen langen Tag miteinander verbringen können und immer noch ‘was Neues zu bieten haben, ist meiner Meinung nach allerdings nur der Zusammenarbeit mit einem vollprofessionellen Partner, nämlich der Taiwan Do Akademie unter der Leitung von Herrn Frerker zu verdanken. Ich denke, das kann niemand nebenher machen – so viel Energie kann man nur einbringen, wenn man es wirklich professionell macht.
Ja, zum Schluss noch zwei Gedanken – einmal wollte ich sagen, statt nur zu klagen, wie am Anfang benannt, haben wir versucht ein Licht anzuzünden. Und solange unsere Kerzen reichen und niemand unser Licht ausbläst, wird dieses Projekt ein Beispiel fundierter Arbeit sein. Das ist der eine Gedanke.
Vielleicht ganz zum Schluss zum Thema Kampfkunst ein ganz kurzer Ausschnitt aus dem Tao Te King. Ich denke, es passt sowohl zum Kung Fu als auch zum Tai Chi, das soll der Schluss meiner Rede sein:
“Wer gut zu führen weiß, ist nicht kriegerisch – wer gut zu kämpfen weiß,
ist nicht zornig – wer gut die Feinde zu besiegen weiß, kämpft nicht mit ihnen –
wer gut die Menschen zu fördern weiß, der hält sich unten –
Das ist das Leben, das nicht streitet, das ist die Kraft, den Menschen zu gebrauchen,
das ist der Pol, der bis zum Himmel reicht“.
Ich danke, dass Sie zu der fortgeschrittenen Stunde noch soviel Aufmerksamkeit für die Rede aufgebracht haben. Vielen Dank. Schönes Gelingen noch.
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Schulprojekte
Guter Umgang gehört dazu
Mario Frerker: „Durch Kampfsport Aggressionen abbauen“
In der Turnhalle der Hauptschule Kaiserplatz sitzen rund 20 Schüler auf ihren Füßen, die Knie auf den Boden gedrückt und die Hände auf die Oberschenkel gelegt. Es ist lange Zeit sehr still, die Schüler und Schülerinnen konzentrieren sich auf ihr Training. Mit von der Partie sind ebenfalls Lehrerin und Hausmeister. Mit wachsender Begeisterung wurde hier etwas aufgebaut, was eigentlich nur mit einer Demonstration im Rahmen der alljährlichen Projektwoche begann.
Doch es scheint der Schule nicht allein um die Körperliche Fitness ihrer Schützlinge zu gehen, der im Laufe der halbjährlichen Ausbildung stellt man fest, dass nicht gelernt wurde, wie man Schläge austeilt, sondern wie man sie verhindert. „Denn mit dem Erlernen der fernöstlichen Kampfkunst gehört auch die Beherrschung allgemeiner guter Umgangsformen“, erklärt Mario Frerker, Leiter der Taiwan Do Akademie Krefeld. Er konnte nur die Abschlussprüfung in Theorie und Praxis abnehmen.
Zum körperlichen Teil des Sports gehören starkes Konzentrationsvermögen, Körperbeherrschung und eine richtige Atemtechnik. Zum geistigen Teil der Übungen gehören Selbstbeherrschung, Körperpflege und der richtige Umgang mit den Mitmenschen. Schulleiter Udo Houben jedenfalls ist von dem Erfolg des Unterrichts überzeugt: „Nach dem Sport wird jetzt gründlich geduscht, und auf dem Schulhof ist es mit den Rangeleien besser geworden.“ Daß natürlich nach einem halben Jahr nicht aufgehört wird, darüber ist man sich einig. Denn noch lange ist nicht alles gelernt, was es in diesem so fairen Sport zu wissen gibt.
Rheinische Post, 26.01.1985
Selbstverteidigung
Ellenboden und Innenfußtritt: Frauen lernen durch neues Programm eines Oberhauseners die Selbstverteidigung
Mitternacht. Dichte Nebelschwaden ziehen durch den menschenleeren Kaisergarten. Wie so oft geht Birgit schnellen Schrittes ihren Weg durch das unheimliche Dunkel. Gerne tut sie es nicht, sie würde uach lieber auf hellen Straßen nach Hause laufen. Birgit weiß, daß ihr viel passieren kann, sie will aber nicht diesen Umweg machen, der ihr viel Zeit nehmen kann, viel von der kurzen Zeit, die ihr nach der langen Arbeit bleibt. Heute scheint ihr der Weg durch den Oberhausener Park besonders lang; fast gehetzt wendet sie ihren Kopf. Und da, tatsächlich: Ein Rascheln in den Büschen. Und ehe sie sich noch richtig der Gefahr, in der sie schwebt, bewußt werden kann, schnellt ein langer schwarzer Schatten aus dem feuchten Geäst geradewegs auf sie zu. Große, starke Hände greifen nach ihrem Hals, zerren an ihren lockeren schwarzen Haaren. – Damit hat der Schurke nicht gerechnet: Gewandt tritt ihm Birgit nach einer bitzschnellen Körperdrehung vor’s Schienbein; Bruchteile von Sekunden später stößt sie ihm mit Wucht den Ellenbogen unters Kinn, bringt ihn zu Fall. Nach Luft ringend liegt der Angreifer geschlagen am Boden, birgit kann fliehen. – Was sich wie ein billiger Kriminalroman liest, passiert so oft tagtäglich auf bundesdeutschen Straßen, in Parks und Wäldern. Nur die Überraschende Wendung wie in diesem fiktiven Fall – die überfallene Frau gibt dem Angreifer das Nachsehen – passiert tagtäglich auf bundesdeutschen Straßen, Parks und Wäldern leider viel zu selten. Diese Birgit, die einem Unhold durchaus den Garaus machen könnte, gibt es wirklich: Birgit Gast aus Oberhausen beherrscht nicht nur asiatische Kampfkunst, sondern unterrichtet auch „Selbstverteidigung für Frauen“. Ihr Lehrmeister ist der Oberhausener Mario Frerker, Bundestrainer für Taiwan-Do, jüngster 6.-Dan-Träger Europas und Inhaber eines Sportstudios für fernöstliche Kampfsportarten in Krefeld.
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„Eine wirkliche Gleichberechtigung der Frau in unserer Gesellschaft bekommt nur dann einen realen Charakter, wenn die Frauen die Möglichkeit der positiven Buwußtseinsveränderung und ein größeres Maß an körperlicher Ertüchtigung voll ausschöpfen.“ Mario Frerker, der Chancen für die weibliche Emanzipation auf mehr oder weniger sportliche Art und Weise steigen sieht, ist hierzulande einer der emsigsten Initiatoren der neuen „Sportart“, die „Selbstverteidigung für Frauen“ heißt, ein Programm, dass eher eine Phylosophie als eine sportliche Disziplin ist, in der Praxis sich als besondere Variante chinesischer Kampfkunst darstellt und mittlerweile in vielen Sportschulen- und Studios der Bundesrepublik in Kursen unterrichtet wird.
Frerkers Engagement bleibt auch nicht dem ZDF verborgen, das den gebürtigen Oberhausener ins „Aktuelle Sportstudio“ holte, wo er mit seinen Schülerinnen einem Millionenpublikum seine Selbstverteidigung- und Kampfkunstübungen demonstrieren durfte. Die „Aktuelle Stunde“ des Dritten Fernsehprogramms hat schon jetzt einen Film über Frerker und seine Schülerinnen geplant. Vor kurzem erschienen denn auch ein Frerker-Buch mit eben dem Titel „Selbstverteidigung für Frauen“, dazu ein gleichnamiges Video auf dem Markt.
Ist der 25jährige Diplomsportfachlehrer nur ein gewiefter Geschäftsmann, der mit der Angst der Frauen vor Belästigungen oder gar Überfällen Geschäfte machen will, oder ganz ein selbstloser – männlicher – Verfechter der weiblichen(und in diesem Falle vor allem körperlichen) Emanzipation? Liest man in Frerkers Buch die teilweise begeisternden Aussagen derjenigen, die an einem Kurs „Selbstverteidigung für Frauen“ teilgenommen haben, so ist man geneigt, dem 25jährigen ohne Zögern auch die folgende Aussage abzunehmen, ohne ihm Profitsucht zu unterstellen: „Das Buch habe ich aus dem gleichen Grunde geschrieben, aus dem ich auch diesen Kurs unterrichte. Ich möchte vielen Frauen und Mädchen einen konkreten Weg vermitteln, sich mit sich selbst und der eigenen Umwelt auseinanderzusetzen. Dabei will ich beweisen, dass entweder ein psychologischer oder physiologischer Kampf täglich stattfindet. Deshalb sollte man innerhalb dieses Rahmens erkennen, dass die Auseinandersetzung ein Teil des Lebens ist. Natürlich heißt das nicht, dass sich eine Frau nur als willenloses Opfer in dieser Gesellschaft bewegen darf.“ Hehre Worte eines Mannes, der Frauen beibringt, wie sie sich gegen männliche Angreifer zur Wehr setzen könnte.
Hinter jeder Ecke lauer ein Bösewicht männlichen Geschlechts, der den Frauen im wahrsten Sinne des Wortes an den Kragen will: Ein solch überdrehtes Verkennen der realistischen Alltagssituation will Frerker seinen Schülerinnen freilicht nicht vermitteln, wiewohl er dennoch(oder gerade deswegen) Fakten sprechen läßt: „Nach einer Statistik des Bundeskriminalamtes wurden im letzten Jahr circa 3500 Frauen vergewaltigt. Dazu kommen noch einmal 3500Fälle von versuchter Vergewaltigung, wobei die Dunkelziffer nach Ansicht von Experten jedoch mindestens fünfmal so hoch ist.“
Die Technik der „Selbstverteidigung für Frauen“ gemäß dem Taiwan Do-Lehrprinzip ist nach Meinung von Frerker eine große Chance, mit dieser möglichen Form der Bedrohung fertigzuwerden. So orientiert sich die „Selbstverteidigung für Frauen“ auch streng an Prinzipien und Philosophien der fernöstlichen Kampfkunst. Frerker und seine Mitstreiter-innen) lehren nicht nur einfach ein paar Handgriffe und Fußtritte, mit denen man (pardon, frau) einen Angriff abwehren oder auf’s Kreuz legen kann. Denn ein wesentlicher Teil des Programms besteht nicht nur aus sportlichen Übungen, Atmungstechniken und sogenannte Bewegungslehre, sondern auch aus psychologischer Schulung, Gespräche und Meditation – immer nach dem Vorbild uralter fernöstlicher Lebensweisheiten- und Erfahrungen.
Eigentlich kein Wunder, denn der 25jährige ist praktisch mit asiatischen Philosophien und Kampfsportarten großgeworden. Vor 14 Jahren fing er beim hiesigen PSV mit Judo an. Später lernte er dann das koreanische Hapki-Do und Taekdon-Do kennen, bis er schließlich mit dem chinesischen Shaolin Kung-Fu und Kung-Fu in Kontakt kam. Vor einigen Jahren traf er dann auf seinen Lehrmeister Chen Tao Tze, den wohl bekanntesten und höchstgraduierten Kampfkunstexperten der Welt, mit dem ihn heute eine enge Freundschaft verbindet. Mit der europäischen Kampfkunstgruppe reiste er 1978 das erste Mal nach China, weitere Studienfahrten nach Fernost folgten.
Entscheident ist, daß Frerker Selbstverteidingungskurse für Frauen aber nicht mit Kampfsport, sondern nur mit Kampfkunst zu tun hat. Darauf legt er gesteigerten Wert: „Eine Kampfsportart hält sich an ein strenges Reglement und ist meistens aggressiv. Die Philosophien der Kampfkunst lehren im Wesentlichen, daß ein vermiedener Kampf, wie zum Beispiel das Weglaufen, immer ein gewonnener Kampf ist. Das bringen wir auch den Frauen in unseren Kursen bei.“ Fürderhin lernen die Mädchenbei der „Selbstverteidigung für Frauen“, ihre körperlichen Verteidigungstechniken wie „Handballenschlag“, „Innenfußtritt“, „Ellenbogenstoß“ und „Kniestoß“ unter Zuhilfenahme von Gegenständen wie Schirmen, Handtaschen und Schlüsseln auch nur im äußersten Notfall einzusetzen, sich bedrohlichen Situationen ansonsten immer durch Flucht zu entziehen.
„Sollte eine Frau, die perfekt in Selbstverteidigung ausgebildet ist, aber wirklich einmal ihre Erfahrung anwenden müssen, dann kann das für den Angreifer unter Umständen schwere Verletzungen zur Folge haben“, erläutert Frerker. Doch dass es dazu möglichst nicht kommt, verdanken die Teilnehmerinnen in ersten Linie der psychologischen Schulung. Im Buch des Kampfkunst-Experten bestätigen dann auch viele Frauen, daß sie nach dem Selbstverteidigungskurs vor allem aufgrund der Meditation enorm an Selbstbewusstsein gewonnen habe und sie eine vermeintlich gefährliche Situation viel besser einschätzen und – wenn irgendwie noch möglich – ohne körperlichen Einsatz abwenden können. Auch die Oberhausenerin Birgit Gast ist von dem Kursus begeistert.
„Seitdem ich vor zwei Jahren mit der Selbstverteidigung angefangen habe, habe ich wirklich an Selbstbewusstsein gewonnen. Ich bin heute viel ruhiger und ausgeglichener als früher. Auch beruflich hat mich dieser Kursus weitergebracht“, sagt die Geschäftsführerin einer Boutique.
Birgit Gast begann vor vier Jahren mit Kung-Fu. „Als ich dann an dem damals ganz neuen Selbstverteidigungskurs teilnahm, kristallisierten sich im Laufe der Zeit für mich sehr schnell die Unterschiede dieser beiden Lehrprogramme heraus.
Einer der wichtigsten ist, daß man bei dem fernöstlichen Kampfsportarten über einen zusammenhängenden Bewegungsablauf von Abwehr- und Abwehrbewegungen meist den körperlichen Kampf trainiert, während man bei der Ausbildung in der Frauengruppe eben auch lernt, was realer Kamp ist.“ Heute gehört die 26jährige zu den besten Schülerinnen Frerkers. Inszischen leitet sie den Selstverteidigungskursin einer Bottroper Frauengruppe, auch in einem OOberhausener Fitness-Studio soll in Kürze ein entsprechendes Unterrichtsprogramm beginnen. Selbst die VHS will „Selbstverteidigung für Frauen“ mit der Trainerin Birgit Gast eventuell in ihr Angebot aufnehmen.
„Wir wollen durch keine männerfreindlichen Frauen heranzüchten“, wehrt Gast vor eventuell falschen Schlüssen. „Die Frauen, die ich zum Bespiel unterrichte, sind zwischen 20 und 35 Jahre alt. Es sind auch ein paar dabei, die schon einmal vergewaltigt wurden. Ihr Haß, den sie am Anfang gegen alle Männer hatten, konnte durch unser Programm abgebaut werden. Wir schüren keine Haßgefühle oder Agressionen. Emotionen sind natürlich etwas anderes und auch erwünscht…“ [/read]
WZ – von Ulrich Dörner, 13.07.1985